KGT empfängt...

DDR-Zeitzeuge am Klettgau-Gymnasium

Wie schon in den vergangenen Jahren besuchte Herr Hartwig Kluge als Zeitzeuge am 19. Juli 2023 den Geschichtsunterricht einer 9. Klasse des Klettgau-Gymnasium Tiengen, um den Schülerinnen und Schülern über sein Schicksal als ein DDR-Bürger, der mit seiner Flucht in den Westen über das Drittland Ungarn scheiterte, zu berichten. Anschließend stellte sich Kluge den Fragen der Jugendlichen.

Alle Probleme, die der Referent in der ehemaligen DDR schon als Jugendlicher bekam, fingen während eines Fußballspiels an, weil er als emotionaler Zuschauer einem Linienrichter aufgrund einer vermeintlichen Fehlentscheidung das Wort „Russenkopf“ entgegenschleuderte. Einer seiner Lehrer denunzierte ihn bei der Staatssicherheit, denn schließlich waren die Russen das sozialistische Brudervolk. Die weitere Überprüfung ergab, dass Kluge unter anderem damals auch Westfernsehen schaute. Wie aus den über 30 Jahre später einsehbaren Stasi-Akten hervorgeht, verhinderte der Schulleiter damals durch einen Bericht an die zuständige Behörde, dass Kluge aufgrund seiner zweifelhaften sozialistischen Gesinnung das Lehramtsstudium für Deutsch und Sport aufnehmen konnte, obwohl die fachlichen Leistungen im Auswahlverfahren herausragend waren. Statt dessen wurde ihm eine Fabrikarbeit angeboten. Somit sah Kluge kaum eine reelle Chance, seine Zukunftsträume innerhalb der DDR zu verwirklichen, und so wuchs beständig sein Wunsch, die DDR zu verlassen.

Die Flucht über Ungarn nach Jugoslawien wurde geplant, Fluchthelfer wurden gefunden und ein Flugticket von Ost-Berlin nach Budapest gekauft. Als es dann im Januar 1969 so weit war, scheiterte jedoch der illegale Grenzübertritt, denn ein junger, bewaffneter und sehr nervöser ungarischer Grenzsoldat stellte sich Herrn Kluge in den Weg. Es folgten etwa vier Wochen Untersuchungshaft in Budapest, dann die Verlegung in die DDR und ab Februar 1969 die weitere Haftunterbringung in Halle mit zahllosen Stasi-Verhören, schwierigen Haftbedingungen und vor allem der großen Ungewissheit, wie das eigene Leben weitergehen wird.

Im Juni 1969 fiel schließlich ein Urteil: 18 Monate Haft wegen geplanter Republikflucht, was in der DDR als Verbrechen gegen den Frieden und damit als schwerwiegende kriminelle Handlung gewertet wurde. In dieser Zeit wurde Kluge in einer völlig überbelegten Gefängniszelle unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht und zu einer stumpfsinnigen Arbeit (acht bis zehn Stunden täglich) verpflichtet, nämlich das Stanzen der Gehäuse von Fotoapparaten. Diese wurden dann, wie man heute weiß, an den westdeutschen Otto-Konzern verkauft und spülten Devisen in das finanziell immer klammer werdende System der DDR-Planwirtschaft.

Ende 1969 wurde Kluge von der Bundesrepublik Deutschland, welche die Menschen in der DDR immer als gleichberechtigte Bürger des gesamten Deutschlands ansah, freigekauft. Er ließ sich in Freiburg nieder, weil die dortige Universität diejenige war, die am weitesten von der innerdeutschen Grenze entfernt lag. -

Mit seinen Besuchen an Schulen will Kluge Schülerinnen und Schülern bewusst machen, was es heißt, in einer Diktatur zu leben und wie diese funktioniert. Eine aktuelle Parallele zeigt sich laut Kluge eindrucksvoll in Putins Russland, wo der völkerrechtswidrige Überfall auf die Ukraine nicht als „Krieg“ bezeichnet werden darf. Wer dies trotzdem wagt, wird im Jahr 2023 zu oft langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Bericht und Bilder: Markus Hübschmann

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